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Aufsichtlicher Stresstest der EZB: Banken müssen Klimarisiken stärker in den Fokus nehmen

8. Juli 2022

  • Banken waren in der Lage, umfassende und neue Informationen zu Klimarisiken vorzulegen
  • Großteil der Banken hat keinen robusten Rahmen für Klimastresstests und nicht genügend einschlägige Daten
  • Im Stresstest sind die Verluste der Banken bei einem geordneten Übergang geringer als nach verspäteten Maßnahmen

Die heute veröffentlichten Ergebnisse des Stresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Klimarisiken zeigen, dass Banken diese Risiken trotz einiger Fortschritte seit 2020 noch nicht hinreichend in ihre Stresstestrahmen und internen Modelle einbeziehen.

„Die Banken im Euroraum müssen ihre Anstrengungen zur Messung und Steuerung von Klimarisiken dringend verstärken, die aktuellen Datenlücken schließen und die anerkannten Verfahren anwenden, die es in der Branche bereits gibt“, sagt Andrea Enria, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB.

Der Test ist Teil des allgemeinen Klimafahrplans der EZB. Dabei geht es allerdings nicht um die Kapitalausstattung, sondern vielmehr darum, dass Banken wie auch Bankenaufsicht Erkenntnisse gewinnen. Es wurden qualitative und quantitative Informationen erhoben, um zu beurteilen, inwieweit die Branche auf Klimarisiken vorbereitet ist. Außerdem sollten Best Practices für den Umgang mit klimabezogenen Risiken gesammelt werden.

„Dieser Stresstest ist ein entscheidender Meilenstein im Hinblick auf unser Ziel, die Widerstandskraft unseres Finanzsystems gegenüber Klimarisiken zu stärken“, sagt Frank Elderson, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums. „Wir erwarten, dass die Banken konsequente Maßnahmen ergreifen und kurz- bis mittelfristig robuste Rahmen für klimabezogene Stresstests ausarbeiten.“

Insgesamt nahmen 104 bedeutende Banken an dem Test teil. Dieser bestand aus drei Modulen, in denen die Institute Informationen bereitstellen sollten. Diese betrafen a) ihre eigenen Kapazitäten für Klimastresstests, b) ihre Abhängigkeit von kohlenstoffintensiven Branchen und c) ihre Ergebnisse in den verschiedenen Szenarien über mehrere Zeithorizonte.[1] Der Bottom-up-Stresstest im dritten Modul war aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegenüber kleineren Banken auf 41 direkt beaufsichtige Banken beschränkt.

Die Ergebnisse des ersten Moduls zeigen, dass rund 60 % der Banken noch keinen Rahmen für Klimastresstests haben. Entsprechend beziehen die meisten Banken Klimarisiken nicht in ihre Kreditrisikomodelle ein. Gerade einmal 20 % berücksichtigen Klimarisiken als eine Variable bei der Kreditvergabe. Aktuell wenden Banken die Best Practices nicht an, nach denen sie Kapazitäten für Klimastresstests schaffen sollten, die mehrere Klimarisiken übertragende Kanäle (z. B. Markt- und Kreditrisiken) und Portfolios (z. B. Unternehmens- und Immobilienkredite) umfassen.

Das zweite Modul des Tests hat ergeben: Insgesamt stammen die Erträge der Banken aus Geschäften mit Nichtfinanzunternehmen zu mehr als zwei Dritteln aus Branchen mit hohen Treibhausgasemissionen. In vielen Fällen gehen die „finanzierten Emissionen“ der Banken auf eine kleine Anzahl von großen Geschäftspartnern zurück. Dies erhöht die Anfälligkeit der Banken gegenüber Übergangsrisiken. Zur Schätzung ihrer Risikopositionen gegenüber emissionsintensiven Sektoren stützen die Banken sich oftmals auf Näherungswerte. Dies ist zwar ein guter erster Schritt, um die Datenlücken zu schließen. Jedoch müssen Banken mehr auf ihre Kunden zugehen, um von ihnen genauere Daten zu erhalten und mehr über ihre Übergangspläne in Erfahrung zu bringen, was eine Voraussetzung dafür ist, dass Banken in Zukunft ihre Anfälligkeit für Klimarisiken messen und steuern können.

Bei dem Bottom-up-Stresstest im dritten Modul müssen Banken Prognosen zu Verlusten bei Extremwetterereignissen und in Übergangsszenarien über verschiedene Zeithorizonte erstellen. Der Test bestätigt, dass sich physische Risiken unterschiedlich auf die europäischen Banken auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anfälligkeit von Banken gegenüber einem Dürre- und Hitzeszenario sehr stark davon abhängt, in welchen Branchen sie tätig sind und wo sich ihre Risikopositionen geografisch befinden. Die Auswirkungen dieser Risiken manifestieren sich in einem sektoralen Produktivitätsrückgang, z. B. in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe, und in einem Anstieg der Kreditverluste in den betroffenen Gebieten. In einem Überflutungsszenario dürften entsprechend die Immobiliensicherheiten und zugrunde liegenden Hypothekenkredite sowie die Unternehmenskredite in Mitleidenschaft gezogen werden, besonders in den am stärksten betroffenen Gegenden.

Der Stresstest zeigt, dass sich die Kredit- und Kursverluste in dem Szenario eines kurzfristigen ungeordneten Übergangs und in den beiden auf physischen Risiken basierenden Szenarien bei den betreffenden 41 Banken insgesamt auf rund 70 Mrd € belaufen. Dieser Betrag entspricht jedoch bei Weitem nicht dem tatsächlichen klimabezogenen Risiko, sondern lediglich einem Bruchteil davon, da a) in dieser frühen Phase nur wenig Daten verfügbar sind, b) die Prognosen der Banken die Klimafaktoren nur ansatzweise erfassen, c) wirtschaftliche Abschwünge und Zweirundeneffekte in den Szenarien nicht berücksichtigt werden und d) die durch den Test erfassten Risikopositionen nur rund ein Drittel der gesamten Risikopositionen der 41 Banken ausmachen. Da es bei dem Stresstest ausschließlich darum geht, Erkenntnisse zu gewinnen, gab es keine aufsichtlichen Anpassungen. Die von den Banken ursprünglich vorgelegten Berechnungen wurden also nicht geändert.

Bei den langfristigen Prognosen der Banken im Rahmen der verschiedenen Klimarisikoszenarien zeigen die Ergebnisse, dass die Verluste bei einem geordneten grünen Übergang geringer sind als im Falle eines ungeordneten Übergangs oder Ausbleibens von Maßnahmen. Banken unterscheiden allerdings kaum zwischen verschiedenen langfristigen Szenarien, da sie keine soliden Strategien haben. Es besteht lediglich die Absicht, Risikopositionen aus den umweltschädlichsten Sektoren abzubauen und Unternehmen mit geringerer CO2-Emission zu unterstützen. Die Banken müssen bei ihrer langfristigen strategischen Planung deshalb direkte und indirekte Übertragungskanäle berücksichtigen.

Die Ergebnisse dieses Stresstests werden aus qualitativer Sicht in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) einfließen. In diesem Jahr wird es keine direkten Auswirkungen auf das Eigenkapital durch Säule-2-Empfehlungen geben. Alle teilnehmenden Banken haben ein individuelles Feedback erhalten, und es wird erwartet, dass sie entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dies soll im Einklang mit den Best Practices erfolgen, die die EZB im letzten Quartal 2022 veröffentlichen wird.

Der Test zeigt, dass die EZB entschlossen ist, die europäischen Banken durch den grünen Wandel zu führen. Dies beinhaltet auch, mit Behörden innerhalb und außerhalb Europas zusammenzuarbeiten. Die Erkenntnisse aus dem Klimastresstest 2022 werden den europäischen Banken als Orientierungshilfe dienen, wenn sie ihre Kapazitäten für klimabezogene Stresstests verstärken und sich auf die Chancen und Risiken eines Übergangs zur Klimaneutralität vorbereiten. Sie werden außerdem die Ergebnisse anderer laufender Aufsichtstätigkeiten ergänzen, wie z. B. die thematische Überprüfung 2022, bei der es darum geht, wie Banken Klima- und Umweltrisiken in ihre Strategien, ihre Governance und ihr Risikomanagement einbeziehen.

Medienanfragen sind an Georgina Garriga Sánchez (Tel. +49 69 1344 95368) oder Simon Spornberger (Tel. +49 69 1344 17711) zu richten.

  1. Insbesondere sollten die Banken Folgendes untersuchen: das Szenario eines dreijährigen ungeordneten Übergangs, welches sich aus einem rapiden Anstieg des Preises für CO2-Emissionen ergibt, ein 30-jähriges Übergangszenario mit unterschiedlichen Annahmen sowie die physischen Risiken einer großen Überflutung und einer schweren Dürre und Hitzewelle über den Zeithorizont von einem Jahr.

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Europäische Zentralbank

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