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EZB-Bankenaufsicht will Diversität in Banken erhöhen

Leitartikel von Frank Elderson, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB, und Elizabeth McCaul, Mitglied des Aufsichtsgremiums der EZB

Frankfurt am Main, 15. Juni 2021

Anfang dieses Jahres beriefen zwei deutsche Banken eine Frau in ihren Vorstand – zum ersten Mal in ihrer mehr als hundertjährigen Unternehmensgeschichte. Dieser Beschluss markiert eine weitere Etappe im globalen Bestreben nach Diversität in den Führungsetagen der Banken. Dort wächst der Frauenanteil aktuell. Im letzten Jahr schrieb eine global agierende US-Bank Geschichte: Erstmals wurde in einer großen Investmentbank der Wall Street die Position des CEO mit einer Frau besetzt.

Wenn man von diesen Schlagzeilen einmal absieht, zeigt sich jedoch, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt. Der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) zufolge sind nur 8 % der CEOs europäischer Kredit- und Investmentinstitute Frauen. Und in den Führungsetagen der größten europäischen Banken machen Frauen nur rund ein Fünftel aus. Zudem werden Frauen in Führungspositionen weiterhin schlechter bezahlt. Und obgleich Banken nach europäischem Recht über eine Diversitätsstrategie verfügen müssen, haben weniger als zwei Drittel von ihnen entsprechende Regelungen eingeführt.

Vor diesem Hintergrund leitet die Europäische Zentralbank (EZB) heute eine öffentliche Konsultation über den Entwurf einer überarbeiteten und umfangreicheren Fassung ihres Leitfadens zu Eignungsprüfungen ein. Diese überarbeitete Fassung des so genannten Leitfadens zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit bringt einige zusätzliche Aspekte ins Spiel, die bei der Beurteilung der kollektiven Eignung von Bankleitungsorganen zu berücksichtigen sind. Einer davon dient der Förderung von Geschlechtervielfalt in den Führungsetagen europäischer Banken.

Wenn die EZB ermittelt, ob ein Leitungsorgan insgesamt geeignet ist, eine Bank wirksam zu steuern, wird sie künftig nicht nur prüfen, ob es kollektiv über die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, sondern auch die Diversität unter die Lupe nehmen.

Wir werden künftig genauer prüfen, welche Fortschritte die Banken machen. Wir werden sie fragen, ob sie interne Diversitätsziele festgelegt haben und ob sie diese Ziele auch erreichen. Wenn sie die Ziele nicht erreichen, werden wir Maßnahmen empfehlen, mit denen sie die Ungleichgewichte beseitigen können. Banken, die diesbezüglich Aufholbedarf haben, werden im Rahmen des jährlichen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses explizit auf ihre Mängel im Bereich der Geschlechtervielfalt hingewiesen. Werden die Diversitätsstrategien offensichtlich nicht eingehalten, müssen wir die Banken möglicherweise dazu verpflichten.

Zusammen mit den nationalen zuständigen Behörden werden wir außerdem weitere mittel- und langfristige Aufsichtsmaßnahmen einführen, mit denen die Diversität in den Führungsgremien europäischer Banken gefördert werden soll.

Es ist seit Langem bekannt, dass Diversität in den Führungsetagen entscheidend zu effektiver Governance beiträgt. Sie sorgt für Meinungsfreiheit und eine kritische Hinterfragung von Managemententscheidungen. Führungsgremien, die im Hinblick auf Geschlecht, Alter, geografische Herkunft sowie Ausbildungs- und Berufshintergrund hinreichend diversifiziert sind, gewährleisten ein breiteres Spektrum an Wissen, Erfahrung und Werten. Dies wiederum hat positive Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung und die Arbeitsweise in den Banken.

Ein breit aufgestelltes Führungsorgan ist zudem besser in der Lage, die Anliegen von Interessenträgern und Mitarbeitern sowie Kunden mit unterschiedlichem Hintergrund zu verstehen, was zur Ausweitung des Kundenstamms durchaus hilfreich sein kann. Jüngste Erkenntnisse der EBA deuten auch darauf hin, dass stärker diversifizierte Leitungsorgane profitabler sein dürften. Je ausgeprägter die Vielfalt im Führungsgremium einer Bank ist, desto offener, ausgewogener und stabiler sind ihre Entscheidungsprozesse und desto effizienter, widerstandsfähiger und profitabler wird die Bank wahrscheinlich sein.

Im europäischen Recht werden die Vorteile von Diversität in den Leitungsorganen der Banken anerkannt. Kreditinstitute sind ausdrücklich dazu aufgefordert, Diversität als ein Kriterium zu berücksichtigen, wenn sie Mitglieder von Leitungsorganen ernennen, und Diversität im Rahmen von Neueinstellungen zu fördern. Sie sind förmlich dazu verpflichtet, eine Diversitätsstrategie einzuführen und zu handeln, wenn ein bestimmter Schwellenwert nicht erreicht wird.

Die EZB unterstützt die Förderung von Vielfalt in den Führungsgremien der von ihr beaufsichtigten Banken. Seit die EZB-Bankenaufsicht ihre Arbeit aufgenommen hat, sind Eignungsprüfungen Bestandteil der laufenden Aufsicht, und es wurden dabei auch Diversitätsmängel beanstandet.

Das hat bereits zu einigen Ergebnissen geführt. Nun, zu Beginn der 2020er Jahre, scheint die Diversitätsbewegung Fahrt aufzunehmen. Der Frauenanteil in den Führungsetagen europäischer Banken steigt, aber er steigt nach wie vor zu langsam. Deshalb unternimmt die EZB im Rahmen ihres Aufsichtsmandats konkrete Schritte, um Vielfalt in jeglicher Hinsicht in den Leitungsorganen und den Banken zu fördern.

Das Ziel unserer gemeinsamen Bemühungen ist klar: Unsere Institution selbst, die von uns beaufsichtigten Banken und Finanzinstitute im Allgemeinen sollen effektiver und sicherer werden. Außerdem sollen sie ein wahres Abbild der Bevölkerung sein, der sie letztlich dienen – den Menschen in Europa.

Diese verkürzte Fassung des Blogbeitrags wurde am 15. Juni als Gastbeitrag in folgenden Publikationen veröffentlicht: Handelsblatt (Deutschland), Les Echos (Frankreich), Il Sole 24 Ore (Italien), Het Financieele Dagblad (Niederlande) und Cinco Días (Spanien).

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