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Interview mit der Börsen-Zeitung

Interview mit Andrea Enria, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB, geführt von Bernd Neubacher und Tobias Fischer und veröffentlicht am 30. Dezember 2020

30. Dezember 2020

Herr Enria, vor zwei Wochen hat das Aufsichtsgremium Banken erlaubt, wieder Dividenden auszuschütten – wenn auch in einem sehr begrenzten Rahmen. Das hört sich nach einem hart erkämpften Kompromiss an.

Ehrlich gesagt: Es war eine schwierige Entscheidung. Im Aufsichtsgremium gab es unterschiedliche Ansichten. Der Druck von Banken und Investoren war immens und die Unsicherheit noch immer groß. Es war also wirklich ein Drahtseilakt. Aber am Ende gab es breite Zustimmung für die gefundene Lösung.

Sie haben Druck von Banken und Investoren verspürt. Kam dieser Druck auch von politischer Seite, beispielsweise vom Europäischen Parlament?

Als ich 1999 zum ersten Mal zur EZB kam, zitierte der damalige Präsident Wim Duisenberg aus einem Song des Folk-Rock-Duos Simon & Garfunkel: „Hearing without listening“. Wir mögen zwar unter Druck aus mehreren Richtungen gestanden haben, aber unser Gremium ist ja letztlich vollkommen unabhängig. Die Haltung des Europäischen Parlaments war stets konservativer. Wenn Banken und Schuldner beträchtliche staatliche Unterstützung erhalten, dann befürchten die Mitglieder des Europäischen Parlaments nun einmal, dass dieses Geld an Aktionäre ausgeschüttet wird, statt der Wirtschaft und den privaten Haushalten zugutezukommen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den wir bei unseren Entscheidungen berücksichtigt haben.

Es liegt auf der Hand, dass die Belastung der Banken mit der Pandemie zunehmen wird. In einem adversen Szenario geht die EZB davon aus, dass das Volumen notleidender Kredite, der Non-Performing Loans im Euroraum bis Ende 2022 auf 1,4 Billionen € anwachsen könnte.

Im Fokus unserer Aufsichtstätigkeit steht derzeit vor allem die genaue Messung der Kreditrisiken. Da haben die Banken noch Handlungsbedarf.

Woher wissen Sie das?

Vor einem Monat waren gerade einmal 21 der 113 bedeutenden Institute imstande, das Volumen zu beziffern, das ihre NPLs bis Ende 2021 voraussichtlich erreicht haben dürften. Es herrscht noch viel Unsicherheit über künftige Kreditrisiken, und Banken müssen sich darauf einstellen, dass das NPL-Volumen zunimmt.

Bereits vor drei Jahren hatten Sie sich für einen Sekundärmarkt für NPL und die Errichtung spezieller Vermögensverwaltungsgesellschaften, von Asset Management Companies stark gemacht. Vor wenigen Tagen hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan zum Abbau notleidender Kredite vorgelegt. Sie fordert darin ein Netzwerk aus nationalen AMCs. Warum zögern die Banken so, diese Gesellschaften zu nutzen?

Ehrlich gesagt zögern die Banken gar nicht. Einige AMCs haben bereits die Arbeit aufgenommen, etwa in Irland, Spanien oder Italien. Aber Sie haben recht: Den Vorschlag habe ich erstmals 2017 gemacht. Denn eins haben wir in der Finanzkrise nicht richtig gemacht: Wir haben die Bankbilanzen nicht schnell genug saniert. Erst 2019 haben die NPL-Bestände in den Bilanzen europäischer Banken wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht. In den USA dauerte das nach dem Schock von 2008 nur drei Jahre. Aber wer schnell arbeiten will, braucht die richtigen Werkzeuge. AMCs gehören meines Erachtens zu den schlagkräftigsten.

Würden Sie also in Betracht ziehen, von aufsichtlicher Seite Anreize für Banken zu schaffen, die eine AMC nutzen, um die Popularität dieses Werkzeugs zu erhöhen?

In diesem Fall würden wir nicht auf das Zuckerbrot setzen, sondern eher auf die Peitsche. Wir machen den Banken Druck, damit sie ihre NPL-Bestände abbauen. Wir fordern sie auf, für diese Aktiva innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine vollständige Risikovorsorge zu bilden und uns realistische und ehrgeizige Ziele für den NPL-Abbau zu nennen.

Neben Zweckgesellschaften für NPL gelten auch grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen als eine Lösung für die Probleme des europäischen Bankensektors. Die EZB hat sich mit diesem Gedanken allmählich angefreundet.

Wir sind nicht nur für grenzüberschreitende Konsolidierungen offen, sondern auch für jede andere Art der Fusion oder Übernahme. Mit der Unterstützung von Konsolidierungen wollen wir nicht unbedingt die grenzüberschreitende Integration stärken. Es geht uns auch nicht darum, größere Banken zu schaffen. Es ist vielmehr so, dass nach jeder Krise Überschusskapazitäten abgebaut werden müssen. Im europäischen Bankensektor wurde dieser Prozess nach der großen Finanzkrise nicht zu Ende geführt – und er ist immer noch nicht abgeschlossen. Einige Banken sind noch am Markt, weil sie staatliche Unterstützung erhalten haben und weil die Refinanzierungskosten extrem niedrig sind – nicht zuletzt wegen der sehr expansiven Geldpolitik. Auf lange Sicht sind die Geschäftsmodelle dieser Banken aber nicht tragfähig. Unserer Ansicht nach könnte Konsolidierung die Banken dazu anspornen, sich neu auszurichten, kosteneffizienter zu werden, mehr in Technologie und Digitalisierung zu investieren und ihre Profitabilität zu erhöhen. Das sind alles rein aufsichtliche Argumente.

Können Sie uns sagen, wie viele Banken, grob geschätzt, kein tragfähiges Geschäftsmodell haben?

Nein. Aber ich würde hier gern die positiven Aspekte unterstreichen. Diese Krise ist für uns alle eine schwere Zeit. Was aber die Umstrukturierungen und Effizienzsteigerungen anbelangt, so hat sie die Veränderungsprozesse im Bankensektor beschleunigt. Mehrere Vorstandsvorsitzende haben mir gesagt, dass die Produktivität ihrer Institute deutlich gestiegen ist, in einigen Fällen um 20 % oder 25 %. Einige Banken haben ihre Filialnetzwerke um 30 % oder mehr ausgedünnt. Andere beißen gerade in den sauren Apfel und bauen Personalbestände ab, die nicht länger tragbar waren. Einige Banken investieren in erheblichem Umfang in Zahlungsplattformen und neue digitale Vertriebskanäle. Und manche haben auch den Weg der Konsolidierung eingeschlagen, insbesondere in Italien und Spanien.

Im italienischen Bankensektor ist in den letzten Jahren kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Beispielsweise haben auch viele Genossenschaftsbanken auf Druck der EZB fusioniert. In Deutschland ist in dieser Hinsicht nicht viel passiert, oder?

In Deutschland hat der Sektor der Genossenschaftsbanken meines Erachtens bereits Fortschritte bei der Integration und im Hinblick auf institutsbezogene Sicherungssysteme gemacht. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband befindet sich hierzu mittlerweile in einem produktiven Austausch und führt einen konstruktiven Dialog mit den Aufsichtsbehörden.

Die EZB fordert die Sparkassen auf, im Zuge der Reform ihres Haftungsverbunds von ihren kommunalen Trägern Erklärungen über eine unbegrenzte Haftung zu erhalten. Das stellt die Sparkassen jedoch vor Probleme, da eine solche Erklärung dem Kommunalrecht zuwiderlaufen würde.

Ich möchte bei diesem Thema nicht weiter in die Tiefe gehen. Es geht uns dabei um Folgendes: Wenn es diese Sicherungssysteme auf Sektorebene gibt, dann müssen sie so funktionieren, dass die Banken im Krisenfall schnell entscheiden und ihre Ressourcen effektiv einsetzen können.

Die EZB überprüft nicht nur die institutionellen Sicherungssysteme. Sie hat auch die Anforderungen an die Führungsgremien der Banken deutlich verschärft.

Unsere Unzufriedenheit mit den bestehenden Regelungen bringen wir schon seit geraumer Zeit zum Ausdruck. Verankert sind diese in Richtlinien, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt wurden. In einigen Ländern findet die Prüfung beispielsweise erst statt, nachdem die jeweiligen Mitglieder der Leitungsorgane ernannt wurden. Deshalb wollen wir in Kürze einen überarbeiteten Leitfaden veröffentlichen, in dem wir klarstellen werden, wie wir Eignungsprüfungen durchführen. So soll ein europaweit einheitliches Verfahren festgelegt werden.

Und wie wird das aussehen?

Wir werden die Banken auffordern, uns im Vorfeld zu informieren, wenn sie beabsichtigen, ein Mitglied eines Leitungsorgans zu ernennen. Auf diese Weise können wir vorab eine Rückmeldung geben, wenn hinsichtlich einer Ernennung Bedenken bestehen. Zudem werden wir die einzelnen Mitglieder der Leitungsorgane stärker zur Rechenschaft ziehen: Haben sie sich in der Vergangenheit als Mitglieder anderer Leitungsorgane lax gezeigt oder eines Fehlverhaltens schuldig gemacht, so werden wir dies berücksichtigen. Darüber hinaus werden wir klarstellen, wie wir das Ergebnis von Eignungsprüfungen im Falle neuer Entwicklungen noch einmal überprüfen werden. Wird eine Bank beispielsweise strafrechtlich belangt, weil wesentliche Regelungen zur Geldwäschebekämpfung nicht eingehalten wurden, so muss das aktuelle Leitungsorgan erneut geprüft werden, um zu erfahren, ob Mitglieder dafür verantwortlich waren und ob sie in Anbetracht der neuen Erkenntnisse noch als geeignet zu beurteilen sind. Und schließlich arbeiten wir auch am Einsatz neuer Technologien, um den Compliance-Prozess weniger aufwendig zu gestalten.

Laut einer EZB-Studie haben Banken ein besseres Risikomanagement im Bereich Informationstechnologie (IT), wenn mindestens ein Mitglied des Leitungsorgans über ein gewisses Niveau an IT-Fachkenntnissen verfügt. Werden für Mitglieder von Leitungsorganen in Zukunft IT-Kenntnisse als Anforderung eingeführt?

Wir haben festgestellt, dass Leitungsorgane, in denen Mitglieder mit IT-Kenntnissen sitzen, bei der Eindämmung von Cyber-Risiken erfolgreicher sind. Wir haben außerdem die Empfehlung ausgesprochen, dass sich Banken mit diesem Aspekt gründlich auseinandersetzen. Grundsätzlich aber bin ich der Auffassung, dass wir keinen regelbasierten Ansatz wählen sollten, der vorschreiben würde, dass in jedem Leitungsorgan ein IT-Experte vertreten sein soll. Bei der Eignungsprüfung geht es nicht nur um einzelne Personen. Es geht um die Diversität insgesamt, die man in einem Vorstand haben möchte. Eine breite Vielfalt an Sichtweisen und fachlicher Kompetenz sowie Geschlechterdiversität sind wichtige Faktoren, die eine gesunde Banken-Governance fördern und Vorsitzende und Führungskräfte glaubwürdig auf den Prüfstand stellen.

Sie haben gesagt, dass Banken „nicht der vermeintlichen Genialität eines dominanten Vorsitzenden“ überlassen werden dürfen.

Leitungsorgane müssen in der Lage sein, das Management zu hinterfragen und andere Perspektiven ins Spiel zu bringen, wenn dies erforderlich ist. Sie brauchen darum Mitglieder, die über ausreichend Bankenexpertise verfügen. Ist dies nicht gegeben, äußern wir unsere Bedenken und fordern die Banken auf, Abhilfe zu schaffen. Wir haben zum Beispiel in vielen Banken ein sehr schlechtes Datenmanagement festgestellt. In einem solchen Fall halten wir die Bank an, das Problem zu lösen, indem sie einem Mitglied des Vorstands spezifische Aufgaben überträgt.

Sie haben auch darauf hingewiesen, wie wichtig Unternehmenskultur in Banken ist. Wo liegen hier Ihrer Meinung nach die größten Defizite?

Nach der Lehman-Krise kam es zu einer Reihe von Skandalen – manipulierte Referenzzinssätze, Verkauf ungeeigneter Produkte, Geldwäsche und dergleichen. Ich dachte, dies seien in gewisser Weise Spätfolgen der Verfehlungen, die zu der Krise geführt hatten, und dass sich alles wieder normalisieren würde. Stattdessen passiert so etwas auch heute noch. Es gab zahlreiche Fälle, in denen Banken in eine schwierige Lage gerieten und ihre Reputation und mitunter auch ihr geschäftliches Überleben gefährdeten. Das bedeutet, dass wir eine starke Unternehmenskultur bei den Banken etablieren müssen. Das wird nicht von heute auf morgen möglich sein, und die Verantwortung liegt letztendlich bei den Banken selbst. Wir werden aber auf jeden Fall weiter auf Veränderungen drängen.

Hat die EZB Ambitionen, als EU-Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche neue Aufgaben zu übernehmen? Ein solche Behörde soll ja in den nächsten zwei Jahren gegründet werden.

Nein, haben wir nicht. In den EU-Verträgen ist ausdrücklich festgelegt, dass wir Aufgaben dieser Art nicht übernehmen dürfen. Als Bankenaufsicht haben wir jedoch ein großes Interesse daran, dass diese Aufgaben und Zuständigkeiten möglichst effektiv wahrgenommen werden. Geldwäsche ist vom Grunde her ein grenzüberschreitender Vorgang. Darum ist es unserer Meinung nach wichtig, eine stärker europäische Perspektive einzunehmen. Erreicht werden könnte dies durch einen stärker harmonisierten Regulierungsrahmen und im Idealfall auch eine europäische Behörde.

Was wäre Ihnen lieber: eine neue Behörde, die innerhalb der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde angesiedelt ist oder eine separate Organisation?

Das haben wir nicht zu entscheiden.

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat kürzlich die Regulierungsreformen infolge der großen Finanzkrise für beendet erklärt. Befinden wir uns auf dem Höhepunkt des Regulierungszyklus, oder liegt dieser bereits hinter uns?

Das letzte Paket, das der Basler Ausschuss verabschiedet hat, ist definitiv der Abschluss des Regulierungszyklus infolge der Finanzkrise. Und ich glaube, bei uns allen ist eine gewisse Erschöpfung zu verspüren – sowohl aufseiten der Bankenaufsicht als auch aufseiten des Bankensektors. In der Branche werden manchmal Stimmen laut, die versuchen, mit der Covid-19-Krise als Vorwand eine Verschiebung oder Änderung des Baseler Regelwerks zu fordern.

Es hat ja bereits einen Aufschub um ein Jahr gegeben ...

Ja, und für die Maßnahmen mit den größten Auswirkungen wurde eine Übergangsfrist bis 2028 eingeräumt. Darum meine ich, dass es nun wirklich an der Zeit ist, diesen Prozess zu einem Abschluss zu bringen. Es ist wichtig, dass dieses Paket jetzt in europäisches Recht umgesetzt wird und in Kraft tritt.

Wird die Regulierung, nachdem sie ihren Höhepunkt überschritten hat, auf dem aktuellen Niveau beibehalten, oder werden die Anforderungen wieder zurückgeschraubt?

Diese Änderungen des Regulierungsrahmens sind struktureller Natur. Einen zyklischen Ansatz sollten wir da meines Erachtens nicht wählen. Wir sollten versuchen, das aktuelle, in unserem Regulierungsrahmen verankerte Niveau der aufsichtlichen Anforderungen auf lange Sicht beizubehalten.

Nach seiner Einführung Ende 2014 befand sich der Einheitliche Aufsichtsmechanismus eine Zeit lang offensichtlich noch in der Anlaufphase. Nun hat sich alles eingespielt und er ist voll ausgestattet. Was haben Sie sich für die nächsten fünf Jahre vorgenommen?

Meine Amtszeit endet in drei Jahren. Darum gehen meine Planungen bis zu diesem Zeithorizont, und das ist auch schon lange genug. Ich fürchte, dass uns unsere Agenda zu einem großen Teil von der Entwicklung und den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie diktiert werden wird. Die Pandemie wird strukturelle Veränderungen in unseren Volkswirtschaften nach sich ziehen. Der Bankensektor wird sich daher erheblich anpassen müssen.

In welcher Hinsicht?

Es wird zwei größere Problemfelder geben. Das erste sind die Risiken in den Bankbilanzen, vor allem Kreditrisiken, die infolge dieser Entwicklungen entstehen. Sie werden uns in den kommenden ein bis anderthalb Jahren auf Trab halten. Das zweite Problemfeld sind die strukturellen Auswirkungen der Digitalisierung, Kosteneffizienz und Konsolidierung.

Was ist außer den Nachwirkungen der Krise noch zu erwarten?

Hier sehe ich drei wichtige Bereiche. Einer davon ist Green Finance und Nachhaltigkeit – der Klimawandel birgt langfristige Risiken, die jetzt gesteuert werden müssen. Der zweite Bereich sind Cyber-Risiken, die für Banken immer mehr an Relevanz gewinnen.

Hat die Zahl der Cybervorfälle während der pandemiebedingten Einschränkungen zugenommen?

Die Zahl der Angriffe hat zwar zugenommen, besonders bei den verteilten Netzwerkangriffen, den Distributed Denial of Service und Phishing-Angriffen auf Kunden. Ehrlich gesagt bin ich bisher aber positiv überrascht. Denn eigentlich haben die Cybervorfälle gar nicht so stark zugenommen, wenn man berücksichtigt, dass alle Banken im harten Lockdown dazu übergehen mussten, ihre Leistungen online oder telefonisch zu erbringen, und auch Outsourcing-Verträge mit Unternehmen in anderen Ländern unterhielten. Das bedeutet, dass die von uns propagierten Maßnahmen zur Cyberhygiene Wirkung zeigen. Unser Melderahmen für Cybervorfälle ermöglicht, dass wir uns mit den Banken austauschen. Aus diesen Informationen gewinnen wir Erkenntnisse, die wir dann immer an die Banken weitergeben können.

Und der dritte Bereich?

Vereinfachung und Transparenz sind unsere dritte Priorität. Ich glaube, dass es uns gut gelungen ist, uns hier in Frankfurt als neue europäische Bankenaufsicht zu etablieren. Wir haben unsere Verfahren mittlerweile bis ins Detail festgeschrieben. Nun müssen wir allmählich eine transparentere Aufsichtsbehörde werden, die von der Bankenbranche, den Marktteilnehmern und den Nutzern von Finanzdienstleistungen gut verstanden wird. Auch könnten einige unserer Prozesse vielleicht etwas vereinfacht werden.

Welche Prozesse?

Banken sprechen beispielsweise häufig ihre Meldepflichten und unsere Datenanforderungen an. Ich habe ein Schreiben von einem Branchenverband erhalten. Darin wird beanstandet, dass wir zu große Datenmengen anfordern, dass verschiedene Generaldirektionen innerhalb der EZB ähnliche Daten in leicht abweichendem Format anfordern und dass die Datenanforderungen von EZB und nationalen Behörden nicht koordiniert sind. Ferner würden die Bankenaufsichtsfunktion und die Zentralbankfunktion ähnliche Daten anfordern, ohne zu prüfen, ob diese bei anderen Behörden bereits vorliegen.

Da haben sie nicht ganz unrecht.

Da haben sie tatsächlich nicht ganz unrecht. Ich glaube, dass wir unsere Strukturen, unsere Anforderungen vereinfachen müssen. Auf diesem Gebiet müssen wir noch besser werden.

Zurzeit erleben wir nicht nur eine Covid-19-Pandemie, sondern werden auch von Fake News überflutet. Wie beabsichtigen Sie als Aufseher damit umzugehen?

Informationsmanagement ist eine sehr schwierige Angelegenheit. Ich bin schon lange Bankenaufseher. Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn war Bankenaufsicht kein Thema in den Medien. Mittlerweile bewegen wir uns in einem anderen Umfeld, und es ist viel schwieriger für uns geworden. Auf Transparenz lege ich auch deshalb Wert, weil sichergestellt sein muss, dass verlässliche Informationen darüber zur Verfügung stehen, wie Aufseher den Bankensektor sehen und wie sie dessen Risiken beurteilen. An verlässlichen Informationen kann sich der Markt orientieren, und sie verhindern Gerüchte, die an den Märkten Panikreaktionen hervorrufen könnten. Ich höre eine Menge Geschichten, die mitunter völlig irreführend sind, und unfundierte Informationen über das, was wir tun. Manchmal muss man stark an sich halten, weil man die richtigen Informationen aus Vertraulichkeitsgründen nicht preisgeben darf. Dieser Herausforderung kann man nur durch mehr Transparenz begegnen.

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