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Öffentliche Konsultation zum Entwurf eines EZB-Leitfadens zu Klima- und Umweltrisiken

Häufig gestellte Fragen

Wozu dient der Leitfaden?

Im Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken wird erläutert, wie Banken Klima- und Umweltrisiken nach Auffassung der Europäischen Zentralbank (EZB) sicher und umsichtig steuern und auf transparente Weise offenlegen sollten.

Gemäß den geltenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sind Banken verpflichtet, alle wesentlichen Risiken, denen sie ausgesetzt sind, zu ermitteln, zu steuern und offenzulegen. Angesichts der Tatsache, dass Klima- und Umweltrisiken Bestimmungsfaktoren für bestehende aufsichtliche Risikokategorien darstellen und erhebliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft und die Banken haben können, ist die EZB darauf bedacht, dass die Banken diesen Risiken Rechnung tragen. Der Leitfaden soll die Banken stärker für Klima- und Umweltrisiken sensibilisieren und sie besser auf die Zukunft vorbereiten.

Konkret wird in dem Dokument dargelegt, wie die Banken den Erwartungen der EZB zufolge Klima- und Umweltrisiken bei der Festlegung und Umsetzung ihrer Geschäftsstrategien sowie in ihrer Governance und ihrem Risikomanagement Rechnung tragen sollen. Weiterhin ist dem Dokument zu entnehmen, dass die EZB von den Banken erwartet, dass sie ihre Transparenz steigern und Klima- sowie Umweltrisiken besser offenlegen.

Ist dieser Leitfaden rechtsverbindlich?

Nein, das ist er nicht. Er ist ein Instrument, in dem dargelegt wird, wie die Banken Klima- und Umweltrisiken den Erwartungen der EZB zufolge im Kontext des derzeitigen Aufsichtsrahmens (Eigenkapitalverordnung, Eigenkapitalrichtlinie und Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA)) sicher und umsichtig steuern sollen. Die gemeinsamen Aufsichtsteams werden diese Erwartungen im Rahmen des aufsichtlichen Dialogs mit den von ihnen beaufsichtigten Banken erörtern. Banken sollten prüfen, ob ihre derzeitigen Verfahren in Anbetracht der Erwartungen sicher und umsichtig sind und gegebenenfalls mit deren Anpassung beginnen. Die EZB wird von den Erwartungen abweichende Verfahren auf Einzelfallbasis beurteilen.

Von wem holt die EZB Rückmeldungen ein und warum? Wie geht es weiter?

Die EZB bittet Banken und andere Interessenträger um Feedback; die eingehenden Rückmeldungen wird sie bei der Finalisierung ihrer aufsichtlichen Erwartungen im Entwurf ihres Leitfadens berücksichtigen. Nach Auswertung des eingegangenen Feedbacks wird sie den Leitfaden fertigstellen und veröffentlichen. Ab diesem Zeitpunkt wird die EZB den Leitfaden im Zuge ihres aufsichtlichen Dialogs mit bedeutenden Banken einsetzen.

Im Rahmen des Konsultationsverfahrens wird die EZB am 17. Juni 2020 ein Webinar mit Branchenvertretern (Industry Dialogue Webinar) organisieren und am 2. September 2020 eine öffentliche Anhörung abhalten. Das Webinar dient dem weiteren Austausch zum Thema und wird Aufseher, politische Entscheidungsträger und Banken zusammenbringen. Direkt von der EZB beaufsichtigte Banken erhalten eine Einladung zu dieser Online-Veranstaltung. Es ist jedoch zu beachten, dass ausschließlich formale Stellungnahmen zum Leitfaden, die über die Website zur öffentlichen Konsultation eingereicht wurden, im Rahmen der Konsultation berücksichtigt werden. Die öffentliche Anhörung dient wiederum dazu, Fragen sämtlicher Beteiligter zu beantworten und steht allen Interessierten offen.

Wie definiert die EZB Klima- und Umweltrisiken?

Allgemeinhin versteht man unter Klima- und Umweltrisiken vor allem die beiden folgenden Hauptrisikotreiber:

  • Physische Risiken, die sich auf die finanziellen Auswirkungen a) eines sich wandelnden Klimas und b) von Umweltzerstörung beziehen. Zu a) zählen u. a. ein häufigeres Auftreten extremer Wetterereignisse sowie allmähliche Klimaveränderungen; b) umfasst beispielsweise Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung, Wasserstress, Biodiversitätsverlust und Entwaldung. Diese Veränderungen können beispielsweise direkt zu Sachschäden oder Produktivitätsrückgängen führen. Indirekt können sie Probleme wie die Unterbrechung von Lieferketten zur Folge haben.
  • Transitionsrisiken beziehen sich auf finanzielle Verluste, die direkt oder indirekt infolge des Anpassungsprozesses an eine kohlenstoffärmere und nachhaltigere Wirtschaft entstehen können. Diese Risiken können beispielsweise aufgrund von recht unverhofft verabschiedeten politischen Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz, technischem Fortschritt oder Veränderungen bei Markstimmung und Präferenzen zum Tragen kommen.

Physische Risiken und Transitionsrisiken beeinflussen die Wirtschaftstätigkeit, was wiederum Auswirkungen auf das Finanzsystem hat. Diese Auswirkungen können direkt, zum Beispiel in Form einer schlechteren Ertragslage von Unternehmen oder eines Wertverlusts bei Vermögenswerten, oder indirekt in Form von makrofinanziellen Veränderungen eintreten. Darüber hinaus können physische Risiken und Transitionsrisiken weitere Verluste nach sich ziehen. Letztere ergeben sich direkt oder indirekt aus rechtlichen Ansprüchen an Banken (gemeinhin als „Haftungsrisiko“ bezeichnet) und Reputationsverlusten aufgrund der unzureichenden Steuerung von Klima- und Umweltrisiken.

Physische Risiken und Transitionsrisiken sind somit Treiber und potenziell erschwerende Faktoren für aufsichtliche Risikokategorien, insbesondere für das Kreditrisiko, das operationelle Risiko, das Marktrisiko und das Liquiditätsrisiko.

Gilt der Leitfaden ausschließlich für direkt von der EZB beaufsichtigte Banken (bedeutende Banken) oder auch für kleinere Banken, die unter der Aufsicht der NCAs stehen (weniger bedeutende Banken)?

Der Leitfaden wurde von der EZB und den nationalen zuständigen Behörden (National Competent Authorities – NCAs) gemeinsam erarbeitet und soll gewährleisten, dass im gesamten Euroraum hohe Aufsichtsstandards einheitlich angewendet werden.

Die EZB wird bei ihrem aufsichtlichen Dialog mit bedeutenden Banken die im Leitfaden dargelegten Erwartungen anwenden. Den NCAs wird empfohlen, die Erwartungen bei der Beaufsichtigung von weniger bedeutenden Banken in verhältnismäßiger Weise einzusetzen.

Ab wann findet der Leitfaden Anwendung?

Der Leitfaden gilt ab dem Tag seiner endgültigen Veröffentlichung. Die EZB erwartet, dass die bedeutenden Institute prüfen, inwieweit ihre derzeitige Vorgehensweise in punkto Steuerung und Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken vor dem Hintergrund der in diesem Leitfaden formulierten Erwartungen sicher und umsichtig ist. Sofern erforderlich, wird von den bedeutenden Banken zudem erwartet, dass sie umgehend mit der Anpassung ihrer Verfahren beginnen.

Der EZB ist aber bewusst, dass die Banken hierfür unter Umständen noch etwas Zeit benötigen werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Methoden und Instrumente für die Steuerung und Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken im Laufe der Zeit einen höheren Reifegrad erreichen werden.

Wird durch die Veröffentlichung des Leitfadens eine Schwachstelle behoben? Oder anders gefragt: Werden Klima- und Umweltrisiken von den Banken zurzeit nicht angemessen gesteuert und offengelegt?

Die EZB hat sich mit der Frage befasst, wie die Banken im Euroraum mit derartigen Risiken umgehen. In diesem Zusammenhang hat sie festgestellt, dass sich die Banken der potenziellen Bedeutung von Klimarisiken zwar zunehmend bewusst sind, sie konstatierte jedoch auch, dass es nur wenige und sehr unterschiedliche Risikosteuerungs- und Offenlegungspraktiken gibt. Zudem fand sie heraus, dass sich die Banken dem Thema bislang zumeist unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verantwortung von Unternehmen annähern und ihre Ansätze je nach Größe, Geschäftsmodell, Komplexität und geografischer Lage variieren. Die meisten Banken müssen erst noch einen umfassenden und zukunftsgerichteten Ansatz für die Risikosteuerung entwickeln.

Die EZB fordert die Banken dazu auf, bei der Berücksichtigung von Klima- und Umweltrisiken einen zeitgerechten, zukunftsgerichteten und umfassenden Ansatz zu verfolgen. Sie erwartet Fortschritte in Bezug auf die Steuerung und Offenlegung von Risiken und hofft, hierzu durch Klarstellung der aufsichtlichen Erwartungen beizutragen.

Wie wirkt der Leitfaden mit den Initiativen des Network for Greening the Financial System (NGFS) und der EBA sowie nationalen Initiativen für ein nachhaltiges Finanzwesen zusammen? Wie stimmen alle diese Initiativen ihre Botschaften an die Banken aufeinander ab?

Der Leitfaden wurde von der EZB und den NCAs gemeinsam erarbeitet und soll gewährleisten, dass hohe Aufsichtsstandards im gesamten Euroraum einheitlich angewendet werden. Er berücksichtigt Publikationen der Bankenaufsichts- und Regulierungsbehörden (insbesondere der NCAs, der EBA und des NGFS) und baut in gewissem Maße auf diesen auf.

Auf internationaler Ebene beteiligt sich die EZB an der Arbeit des NGFS. Dieses veröffentlichte im April 2019 Empfehlungen zur Stärkung der Rolle von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden bei der Steuerung von Klima- und Umweltrisiken und entwickelt derzeit eine praktische Orientierungshilfe zur Umsetzung der Empfehlungen. Eine der Empfehlungen des NGFS lautet, dass Aufsichtsbehörden aufsichtliche Erwartungen festlegen sollen. Diese Empfehlung wird mit dem EZB-Leitfaden umgesetzt.

Auf Ebene der Europäischen Union ist die EZB-Bankenaufsicht in die Arbeit der EBA eingebunden. Dieser wurden mehrere Mandate erteilt, zu prüfen, wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken in die drei Säulen der Aufsicht integriert werden können. Im Dezember 2019 veröffentlichte die EBA den „Action Plan on Sustainable Finance“. Dieser enthielt zentrale Botschaften für Banken und unterstrich die Bedeutung eines frühzeitigen Handelns, bevor der aufsichtliche Rahmen formell aktualisiert wird. Der Leitfaden der EZB führt diese zentralen Botschaften weiter aus.

Außerdem haben einige NCAs bereits Orientierungshilfen zu Klima- und Umweltrisiken veröffentlicht oder werden dies in Kürze tun. Von den weniger bedeutenden Banken wird erwartet, dass sie diese Orientierungshilfen und andere einschlägige Veröffentlichungen ihrer NCAs beachten.

Was tut die EZB darüber hinaus, um Klima- und Umweltrisiken entgegenzuwirken?

Auf der Website der EZB wird erläutert, welche Maßnahmen die EZB in ihren Zuständigkeitsbereichen in Bezug auf den Klimawandel ergreift. Zu diesen Bereichen zählen wirtschaftliche Analyse, Bankenaufsicht, Geldpolitik, Anlageportfolios und Finanzstabilität.

Klimawandel und die EZB

Ganz allgemein bringt sich die EZB auf internationaler Ebene aktiv in einen Dialog mit anderen Aufsichtsbehörden und Zentralbanken zu Klima- und Umweltrisiken ein. Die EZB ist nicht nur Mitglied des NGFS, sondern auch der Technischen Expertengruppe zum Thema nachhaltiges Finanzwesen (Technical Expert Group on Sustainable Finance – TEG) der Europäischen Kommission, die u. a. eine Taxonomie für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten entwickelt hat. Darüber hinaus wirkt die EZB aktiv an der Arbeit der EBA und des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht mit.

Werden Klima- und Umweltrisiken infolge des vorliegenden Leitfadens bei zukünftigen Stresstests eine wichtigere Rolle spielen?

Dem Leitfaden ist zu entnehmen, dass die EZB von bedeutenden Banken die Verwendung von (Stress-)Szenarien erwartet. Auf diese Weise sollen sie beurteilen, ob Klima- und Umweltrisiken in Bezug auf ihre Geschäftsstrategie wesentlich sind, und fundierte Entscheidungen treffen. Darüber hinaus erwartet die EZB, dass Institute mit wesentlichen Klima- und Umweltrisiken prüfen, ob ihre bankinternen Stresstests angemessen sind. Ziel ist es, diese Risiken in ihr Basisszenario und ihre adversen Szenarien aufzunehmen.

Zudem prüft die EZB sorgfältig die potenziellen Auswirkungen von Klimarisiken auf das Finanzsystem des Euroraums. Sie arbeitet derzeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB) und mit anderen Zentralbanken der EU an der Fertigstellung eines Pilot-Stresstests zu Klimarisiken. Darüber hinaus laufen die Vorbereitungen für einen makroprudenziellen Stresstest der EZB. Mit dem Rahmen für Stresstests soll ermittelt werden, wie Klimarisiken auf die Realwirtschaft und das Finanzsystem durchschlagen. Der Stresstest wird sich auf granulare Informationen stützen und sich auf 90 bedeutende Banken im gesamten Eurogebiet konzentrieren.

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